24 Stunden für Menschenrechte
Die Leipziger Initiative „Protest Action – no more border crimes“ fordert von der Stadt Leipzig, sich stärker für eine menschenwürdige Migrationspolitik in der Europäischen Union einzusetzen. Die Aktivist*innen veranstalten wöchentlich 24-stündige Mahnwachen in der Innenstadt. Damit wollen sie vom Augustusplatz aus Druck ausüben, der bis zu den Verantwortungsträger*innen in der EU durchdringt. Sarah von der „Protest Action – no more border crimes“ erklärt im Interview die Hintergründe und Ziele des Protests.
Was ist die „Protest Action – no more border crimes“?
Wir organisieren jedes Wochenende Mahnwachen über 24 Stunden, bei denen wir auf die Situation an den EU-Außengrenzen aufmerksam machen. Das ist angelehnt an die Aktionen von #EvacuateNow, bei denen bundesweit in Städten wöchentliche Camps entstehen. Allerdings haben wir uns mit der Mahnwache für eine andere Protestform entschieden, unser Fokus liegt vor allem auf den Täter*innen: Wir wollen auf die Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen der EU aufmerksam machen. Außerdem stellen wir konkrete Forderungen an die Stadt Leipzig.
Und wer genau seid ihr?
Wir sind eine Gruppe von dreißig bis vierzig Freund*innen und Bekannten. Wir haben uns zusammengetrommelt, geschaut, wer Lust und Zeit hat, wer was übernimmt und wie wir uns organisieren. Heute protestieren wir zum zweiten Mal.
Warum liegt der Fokus eurer Aktionen auf den Tätern?
Wir wollen kein Mitleid erregen oder nur über geflüchtete Menschen sprechen und uns weiße Personen als Retter*innen darstellen. Die schlimmen Bilder von leidenden und sterbenden Menschen kennen wir alle aus den Medien. Wir wollen klar machen: Die EU bringt das voran, ist verantwortlich für die Zustände in den Lagern und finanziert Frontex.
Welche Menschenrechtsverletzungen begeht die Europäische Union?
Die Rechte, die für EU-Bürger*innen gelten, gelten nicht für Menschen an den Außengrenzen. Die Pushbacks, die Frontex durchführt und bei denen Menschen umgebracht werden, sind illegal. Zustände wie in den Lagern auf den griechischen Inseln, zum Beispiel Vathy auf Samos oder Kara Tepe, das als Moria 2 gilt, sind menschenunwürdig. All das dürfte in der EU überhaupt nicht existieren.
Was muss sich an der europäischen Migrationspolitik ändern?
Auf jeden Fall müssen die Lager evakuiert werden. Die Zustände, für die die EU dort verantwortlich ist, sind nicht tragbar. Bis das geschieht, müssen die sanitären, hygienischen und materiellen Bedingungen in den Camps verbessert werden. Wir fordern das Ende aller Pushbacks und stattdessen Entkriminalisierung von Seenotrettung, sichere Fluchtwege und einen sofortigen Abschiebestopp.
Das sind Forderungen auf internationaler Ebene. Warum richtet ihr euch damit an die Stadt Leipzig?
Wir denken, dass es einen Unterschied machen würde, wenn viele einzelne Städte sagen: „Wir sind bereit, Menschen aufzunehmen und wir haben konkrete Pläne, wie wir das umsetzen.“
Was sind eure Forderungen an die Stadt Leipzig?
Die Stadt soll konkrete Aussagen machen, wie sie geflüchtete Menschen aufnehmen und ein sicherer Hafen sein will. Die Bedingungen unter denen Geflüchtete hier leben, müssen verbessert werden. Dazu gehören beispielsweise eine schnellere und dezentrale Unterbringung und der Ausbau sanitärer Anlagen. Damit soll Leipzig eine Vorbildrolle in Sachsen einnehmen und ein Aufnahmeprogramm anregen.
In Deutschland haben sich bereits Städte als „Sicherer Hafen“ erklärt, darunter auch Leipzig.
Ja, aber das hat momentan kaum Konsequenzen. Es ist ein komplexes Problem, bei dem sich mit einer reinen öffentlichen Aussage nichts tut. Darum fordern wir konkrete Pläne. Und natürlich müssen sich viele Städte beteiligen. Der Druck auf Bundes- und Länderebene muss so hoch werden, dass das Bundesinnenministerium sich lokalen Aufnahmekonzepten nicht mehr entgegenstellen kann. Es ist schlimm genug, dass bisher nicht passiert ist.
Wie wird euer Protest weitergehen?
Wir stehen noch ganz am Anfang. Momentan organisieren wir uns und vernetzen uns mit Gruppen, wie zum Beispiel der Seebrücke. Unser Ziel ist, dauerhaft einen Platz in der Stadt einzunehmen, jede Woche, für 24 Stunden. Wir wollen klar machen, dass wir als Gesellschaft alle Teil des Problems sind und etwas ändern müssen.
Welche Aktionsformen habt ihr geplant?
In Zukunft sollen auch Redebeiträge und Musik Teil unseres Protests sein. Am Wochenende 8./9. Mai gibt es außerdem einen bundesweiten Aufruf von #EvacuateNow, bei dem in vielen Städten mehrtägige Camps entstehen sollen. Außerdem wollen wir Social Media Kanäle einrichten.
Wie kann man euch unterstützen?
Wir suchen vor allem Personen, die Lust und Kapazität haben, mitzumachen und Schichten bei den Mahnwachen zu übernehmen. Die Veranstaltungen haben jeweils vier Schichten, bei denen immer vier bis fünf Leute vor Ort sein sollten. Das jedes Wochenende zu machen, ist momentan machbar, aber irgendwann sind natürlich die Kapazitäten bei uns erschöpft. Da brauchen wir Unterstützung. Außerdem hilft es uns natürlich, wenn von uns erzählt und unser Konzept weitergetragen wird.
Also einfach vorbeikommen und mitmachen?
Genau! Wir verstehen uns als Plattform für alle Menschen die nicht weiter nur wegschauen wollen. Die Mahnwache findet immer Samstag 12:00 Uhr bis Sonntag 12:00 Uhr statt. Also kommt vorbei und macht mit!