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Spaziergang gegen rechte Strukturen in Leipzig

Am 20. Oktober gingen in der Leipziger Innenstadt knapp 200 Personen auf die Straße und wiesen auf mehrere von Neo-Neonazis und Rechten genutzte Büros und Treffpunkte hin. Der antifaschistische Spaziergang mit dem Motto “Burschenschaften, Kampfsport, Security – Neonazistischen Männerbünden auf den Zahn fühlen” fand im Rahmen der Aktionswoche “Niemand ist Vergessen” statt. Organisiert hat ihn das Ladenschluss-Bündniss Leipzig.

An fünf Stationen machten die Aktivist*innen die Verstrickungen zwischen organisierten Neonazis mit der Leipziger Kampfsport- und Hooliganszene und Security-Unternehmen deutlich. Darüber hinaus betonten sie in Redebeiträgen, dass Teile des Leipziger Justizapparats mit rechtradikalen Burschenschaftlern durchsetzt sind. Insondere die Leipziger Burschenschaft “Germania” wurde in diesem Zusammenhang mehrfach erwähnt: Mitglieder der Germania, die in einer rassistischen Chatgruppe den bewaffneten Kampf planten, sind erst im Sommer 2020 entarnt worden. In dem kleinen Ort Beuden – 15 Kilometer nördlich von Leipzig – sollte ihr “Zufluchtsort” sein. Der Protest des Ladenschluss-Bündnisses richtete sich auch gegen die Akzeptanz und das Schweigen der Zivilgesellschaft gegenüber rechtsradikalen Strukturen wie dieser.

Interview mit Anna vom Ladenschlussbündnis am 20.10.2020

Was habt ihr heute eigentlich hier gemacht?

Anna: Wir sind heute durch die Innenstadt gegangen um darauf hinzuweisen, dass ein linkes Leipzig – ein vermeintlich linkes Leipzig – keine Selbstverständlichkeit ist, sondern dass es stetiges Engagement dafür braucht. Selbst in der Innenstadt wimmelt es von rechten Strukturen, die vielen Leuten einfach nicht auffallen. Die Verstrickungen reichen bis in die Justiz hinein. Und wir denken, dass das stärker thematisiert werden sollte. 

Transparent auf der Demo "Der neonazistischen Burschenschaft Germania auf den Zahn fühlen"

Wie ist die Struktur der rechten Szene in Leipzig?

Anna: Die heutigen Beispiele haben gut gezeigt, dass es Zusammenhänge zwischen verschiedenen vermeintlich getrennten Subszenen gibt. Es gibt Verbindungen zwischen Security, organisierter Kriminalität und der Hooliganszene mit Kampfsportvereinen, die aber über Verstrickungen mit Burschenschaften bis in höhere Ämter gehen. Also, sehr vereinfacht ausgedrückt.

Welche Rolle spielt das Securitygewerbe dabei?

Anna: Das Securitygewerbe kann man eigentlich oft schon als ein Sammelbecken von neonazistischen Akteuren oder Einzelpersonen, die auch aus dem harten Kern der Szene kommen, sehen, die da einfach ihr Geld verdienen. Und dieses Gewerbe ist, zumindest bei einigen Firmen, offen gegenüber diesen Personen und stellt sie auch gerne an.Das ist vielleicht ein bisschen pauschalisierend, aber es hat auch etwas mit einer bestimmten Rolle und einer Affinität zu körperlicher Auseinandersetzung zu tun. Da zieht vielleicht der Berufsbereich auch bestimmte Menschen an, die aus dem Kampfsport- oder Hooliganumfeld kommen.

Und ein anderer Aspekt, den ihr heute thematisiert habt, war dieses „altbürgerliche“ Justiz-Burschenschafts-Umfeld. Inwiefern hängen die beiden miteinander zusammen?

Die Demo des Ladenschluss Büdniss läuft durch die Zentralstraße

Anna: Da gibt es vor allem ideologische Verknüpfungen. Es ist so, dass sie ein gemeinsames Gedankengut teilen: rechtsradikal ist und in weiten Teilen auch mit positiven Bezügen zum Nationalsozialismus vereinigt. Das merkt man sowohl bei den Burschenschaften als auch bei den erkenntlicheren Rechtsradikalen in den Sicherheitsfirmen oder Table Dance Bars und dann darüber hinaus auch die Hells Angels, die da mit drin stecken, dass da einfach sehr starke ideologische Verknüpfungen sind.


Ein Einzelfall, den ihr immer wieder thematisiert, ist der „Zufluchtsort Beuden“. Was hat es damit auf sich?

Anna: Die „Zuflucht Beuden“ reiht sich ein in die Berichterstattung über Gruppierungen wie „Nordkreuz“, „Uniter“ und ähnliche Preppergruppen. Sie bereiten sich nicht einfach nur auf Naturkatastrophen oder ähnliches vor, sondern auf Dinge, die sie als „Rassenkrieg“ identifizieren. So wurde es beim „Widerstand Beuden“ klar benannt. Sie setzen Migration gleich mit Dingen wie „Umvolkung“ und ähnlichen Bedrohungsszenarien. Und sie bereiten sich darauf vor und das auch militant, wie man ja nun mitbekommen hat, mit dem Horten von Waffen, Munition und ähnlichem. 

Was denkt ihr, was fehlt in der Auseinandersetzung damit seitens der linken Szene in Leipzig, aber auch von der Zivilgesellschaft?

Anna: Ich glaube, der Zivilgesellschaft sind viele Sachen gar nicht bewusst, glaub ich. Es taucht natürlich auch im öffentlichen Diskurs selten auf. Also, ich hab das Gefühl, es gehen wöchentlich Meldungen durch die Presse über irgendwelche Verstrickungen mit Polizeiapparat, Institutionen und irgendwelche Chatgruppen, aber das sorgt wenig für weitere Auseinandersetzung. In Leipzig wird jede umgefallene Mülltonne in Connewitz mehr in den Fokus genommen als diese „Einzelfalldebatte“, das ist zumindest mein Eindruck.Und was die Zivilgesellschaft betrifft, verwundert es doch stark, dass man sich oft für eine antifaschistische Einstellung rechtfertigen muss, obwohl sie in dieser Gesellschaft doch eigentlich Selbstverständlichkeit sein sollte.

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