Was war? Laye-Alama Condé stirbt – 07. Januar 2005
Inhaltswarnung: Polizeigewalt, Rassismus, Erbrechen, Tod
Dieser Text beschäftigt sich mit einem Todesfall in Folge von rassistischer polizeilicher Gewalt. Unter Umständen kann der Inhalt dieses Beitrag traumatische Erinnerungen und Angst auslösen. Wir finden es wichtig, die Grausamkeit einer Praxis zu benennen, die in Deutschland für mindestens 13 Jahre “polizeilicher Alltag” war. Polizist*innen und Polizei-Ärtz*innen verübten dieses Verfahren tausendfach. Dennoch möchten wir den Leser*innen ermöglichen, die Konfrontation damit zu vermeiden.
– Die Tschop! Tschop!-Redaktion
Laye-Alama Condé war ein Asylbewerber aus Sierra Leone. Er wurde in der Nacht vom 26. zum 27. Dezember 2004 in Bremen verhaftet. Der Verdacht: Er besäße illegale Drogen, die er in Form kleiner Kügelchen heruntergeschluckt haben soll. Da Condé kaum Deutsch sprach, war den Polizist*innen die Kommunikation mit ihm kaum möglich. Das hieß auch, dass er nicht über seine Rechte aufgeklärt werden konnte und auch nicht über die Form der angewandten Beweisermittlung: Den Einsatz von Brechmitteln. Condé wurde auf das Polizeipräsidium und schließlich eine eigens dafür hergerichteten Raum gebracht. Hier begann eine Stunden lange Tortur, die schließlich mit seinem Tod endete.
Der Tathergang
Condé wurde von Polizeibeamten auf einen Untersuchungsstuhl gesetzt. Seine Beine wurden festgeschnallt, die Hände am Rücken gefesselt. Das Brechmittel sollte von einem Arzt über einen 70cm langen Schlauch durch Condés Nase direkt in seinen Magen gepumpt werden. Condé wehrte sich mit Kopfschütteln dagegen. Daraufhin packte ihn einer der Polizisten am Kopf und presste ihn gegen den Untersuchungsstuhl, sodass er nun am ganzen Körper fixiert war. Das Verabreichen des Brechmittels gelang. Anschließend pumpte der Arzt Condé große Mengen Wasser direkt in den Magen, um das Erbrechen noch weiter zu beschleunigen. Nach einer Viertelstunde begann Laye-Alama Condé sich zu übergeben. Obwohl er sich dagegen wehrte und die Zähne zusammen biss, fand die Polizei kleine Kügelchen mit Kokain.
An dieser Stelle hätte die Behandlung abgebrochen werden können, denn die Beweismittel waren damit sichergestellt. Doch die Polizei wollte noch mehr finden. Der Arzt pumpte weiterhin Wasser in Condés Magen, dessen Zustand sich zusehends verschlechterte, bis er nicht mehr ansprechbar war. Als das Sauerstoffmessgerät nichts mehr anzeigte, vermutete der Arzt einen Defekt, tauschte den Sensor aus und wartete. Erst, als auch dann keine ausreichende Sauerstoffsättigung in Condés Blut messbar war, rief der Arzt einen Notarzt hinzu.
Die Prozedur dauerte schon etwa eine Stunde
Nach einer Viertelstunde trafen Notarzt und Sanitäter ein. Während Condé nach wie vor nicht ansprechbar war und seine Pupillen keine Reflexe mehr zeigten, verbesserten sich die Sauerstoffwerte. Der Arzt des Beweissicherungsdienstes erklärte daraufhin, es sei typisch für Schwarzafrikaner, sich tot zu stellen. Noch im Beisein des Notarztes wurde die Beweissicherung mit weiterem Einpumpen von Wasser fortgesetzt. Condés Zustand verschlechterte sich daraufhin wieder deutlich. Da nun kein weiteres Erbrechen erfolgt, reizt der Arzt mit einem Holzspatel den Rachen von Condé um noch mehr Drogen zu finden. Erst als den Sanitätern auffiel, dass Condé nicht mehr atmet, wurde das Wasser aus seinem Rachen abgesaugt um ihn zu beatmen. Als er trotz Beatmung das Bewusstsein verlor, entschieden die anwesenden Ärzte und Sanitäter, ihn ins Krankenhaus einzuliefern.
Als Condé in der Intensivstation ankam, lag er bereits im Koma. Am 7. Januar 2005 starb er an den Folgen des Brechmitteleinsatzes.
Brechmittelvergabe in Deutschland
Condé war leider nicht das einzige Todesopfer dieser Methode. Schon 2001 war in Hamburg der 19-Jähre aus Nigeria stammende Achidi John unter ähnlichen Umständen um Leben gekommen. Auch hier leiteten die Verantwortlichen nicht unverzüglich lebensrettende Maßnahmen ein, weil sie überzeugt waren, John würde nur simulieren.
Die zwangsweise Brechmittelvergabe durch die Polizei zur Beweissicherung war für fast zwei Jahrzehnte in Deutschland gängig Praxis. Vor allem in Bremen wurde sie über 1000 Mal angewandt, wobei 20 bis 40 % der Betroffenen gar keine Drogen mit sich führen. Die Brechmittelvergabe war klar rassistisch: Fast alle Betroffenenwaren afrikanischer Herkunft. Sie berichteten immer wieder über Beleidigungen und Schikane durch die Polizei.
Im Jahr 1996 stellte das Oberlandesgericht Frankfurt fest, dass der Einsatz von Brechmitteln gegen die Würde des Einzelnen verstößt. Erst 2006 wurde Brechmitteleinsatz als polizeiliche Maßnahme beendet. Einem Betroffenen, der sich gegen den Einsatz wehrte, gab schließlich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Recht: Die Vergabe von Brechmitteln – insbesondere unter Zwang – verstößt grundlegend gegen die Europäischen Menschenrechtskonvention. Der Einsatz diese Mitteln ist seit dem in Deutschland verboten.
Die Aufarbeitung von Laye Condés Tod
Viele Jahre nach dem Tod von Laye Condé entschuldigten sich einzelne Verantwortliche von damals bei seiner Familie. Die ausführenden Beamten und der Arzt wurden aber nie verurteilt. Der Strafprozess gegen den Arzt kam erst 2008 ins Rollen wurden zunächst zu ein Hick-Hack zwischen den Gerichten. Zweimal wurde er zunächst freigesprochen, das Urteil aber jedes Mal vom Bundesgerichtshof kassiert. Der dritte Anlauf wurde schließlich gegen die Zahlung von 20.000€ an die Familie Condé ohne Urteil eingestellt. Möglichen Taten der anderen Beteiligten waren zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt.
Seit 2006 wird am Sielwalleck Bremen, dem Ort Condés Verhaftung von einer lokal Initiative an ihn gedacht und politischen Konsequenzen gefordert. Es fanden in Bremen mehrer große Gedenk-Demonstrationen und Kundgebungen statt. Noch heute streitet man sich in Bremen über die Einrichtung einen dauerhaften Gedenkorts.
Mehr über Laye-Alama Condé erfahrt ihr bei der Initiative in Gedenken an Laye-Alama Condé
Bildquelle: Von Unbekannt nach CC BY-SA 2.0 DE
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