Die schwarzwurzel Teil 3: Die Konflikte
Wie funktioniert ein kollektiver Bioladen?
Die schwarzwurzel ist ein Bioladen im Leipziger Westen. Aber nicht nur das, sie ist auch ein Kollektiv, das acht Menschen einen Arbeitsplatz bietet und dabei ganz anders funktioniert als ein „normaler“ Laden. Tschop! Tschop! hat nachgefragt: Wie läuft es in so einem Ladenkollektiv ab? Wie baut man es auf? Können acht Menschen gemeinsam Entscheidungen treffen, die einen Laden am Laufen halten? Und: Wie groß ist die Gefahr, sich selbst auszubeuten, wenn man so selbstbestimmt arbeitet?
Sarah und Melanie haben geantwortet, und zwar ganz schön ausführlich. Darum wird diesem Thema ein Vierteiler gewidmet. In Teil 3 soll es darum gehen, wie auch in einem Kollektivbetrieb ganz ohne Chef*innen und Hierarchien Konflikte entstehen können – und wie sie gelöst werden. Das Gespräch wurde im Frühjahr 2019 geführt.
Der Arbeitsalltag – wenig Hierarchie, viel Nähe
In Teil 2 des Interviews haben Melanie und Sarah von ihrem Alltag in der schwarzwurzel berichtet. Acht Mitglieder gibt es, die dort jeweils 24 bis 27 Stunden pro Woche arbeiten, außerdem zwei Angestellte. Alle dürfen sich als Chef*innen begreifen, treffen gemeinsame Entscheidungen auf Augenhöhe und übernehmen viel Eigenverantwortung. Wie kann das ohne Streit und Ungleichgewichte funktionieren?
Wie geht mit Konflikten um? Wenn z.B. die Frage ist: Wer macht die Spätschicht am Freitag?
Sarah: Wir haben einmal im Monat auch mit den beiden Angestellten zusammen eine Teamsitzung und planen da mindestens vier Wochen im Voraus die Schichten. Dann werden die Schichten halt vercheckt. Nicht, wer der Lauteste ist, kriegt die Schicht oder kriegt sie nicht, sondern die Basis sind natürlich eine Kommunikationsbereitschaft und Respekt voreinander und Vertrauen, dass die Person schon weiß, warum sie da und da nein sagt und da und da ja sagt. Das ist viel Vertrauensvorschuss. Und dann kann man immer noch gucken, wenn das dann nicht hinhaut, dass man darüber spricht, wenn mal etwas unfair war. Es sind einfach auch ganz langsame Prozesse. Das sind sie natürlich, weil sie sehr gründlich sind, weil sich alle hier ja auch wohlfühlen müssen mit den Ergebnissen.
Gab es da auch schon richtigen Streit, wo das dann nicht mehr funktioniert hat?
Sarah: Wo wir sprachlos wurden, sozusagen?
Melanie: Seit ich hier bin, also ein Jahr ungefähr, nicht.
Sarah: Ganz, ganz am Anfang, in der Gründungsphase hatten wir eine sehr erhellende Supervision. Da wurde uns nochmal bewusst, dass es verschiedene Menschen für verschiedene Projektabschnitte gibt. Die einen können gut anschieben und die anderen sind dann besser im Aufrecht erhalten der Routine und der Struktur. Nachdem wir das verstanden haben, haben wir auch unsere Konflikte besser verstanden. Dass es eben Leute gibt, die in den einen Parts super sind, dann aber in anderen Parts schwächeln. Und dass das nicht schlimm ist, denn, wenn man das weiß, dann kann man damit umgehen. Am Anfang hat es schon so ein bisschen geknirscht. Es sind auch ein paar Leute nicht mehr im Kollektiv. Aber die sind nicht im Streit auseinander gegangen, sondern weil klar war, wir sehen hier verschiedene Bedarfe für den Laden und für die eine Person ist es dann eben nicht mehr das Ding. Dann sucht die sich was anderes und für die anderen ist es aber genau das Ding. Aber es waren nie krasse Sachen. Also, alle Menschen, die mal im Kollektiv waren, können immer noch her kommen und wir haben uns alle lieb, ganz übertrieben ausgedrückt. Es ist nichts im Krieg auseinander gegangen, sondern wir haben es immer geschafft, eine Ebene zu finden.
Wie habt ihr das jeweils geklärt?
Sarah: Mit Supervision zum Beispiel. Also, dass da eine externe Person kam und dann haben wir geguckt, wie der Konflikt aussieht. Dann hat die Person gesagt: „Ah, ich weiß warum“ und Ideen mit an die Hand gegeben – so wie das mit den verschiedenen Personentypen – und wir haben geguckt, ob das vielleicht in unseren Strukturen stimmt. Und dadurch, dass wir Bereitschaft haben zu lernen und weil die Bereitschaft da ist, sich mit den eigenen Mustern und den Mustern, die die anderen so haben, auseinanderzusetzen. Einfach mit Hilfe, externe Hilfe ist super wichtig. Also alleine zerfusselt man sich dann und dann kommen noch irgendwelche Egosachen dazu und dann ist es vorbei.
Was habt Ihr letzte Woche so erlebt, an Problemen?
Melanie: Zum Beispiel am Montag um 7:30 Uhr, für die, die aufgewacht waren, da haben wir eine SMS bekommen, dass unser Kollege nicht da sein konnte. Da muss dann irgendwer einspringen. Alle sind aufgewacht und rufen an: „Was ist passiert? Muss ich jetzt kommen?“
Sarah: Krankheitsvertretungen, das ist immer ein heikles Thema. Ich bin ja für ein großes Krankheitsverbot. (Lacht) Ich versuche das durchzusetzen, klappt aber nicht. Das sind so normale Sachen, die jeder Betrieb hat. Also, Leute werden krank, jemand muss ersetzen, wer macht’s?
Was sind heute im Alltag die größten Hindernisse von außen? Habt Ihr da mit Ämtern zu tun, oder eher Lieferzeiten oder Konkurrenz im Viertel?
Sarah: Fahrradparkplätze! Wir kriegen draußen keinen Fahrradparkplatz, weil das Ordnungsamt sagt, Nein, die Straße ist zu klein. Blablabla. Also das ist ein großes Problem, gerade für die Leute, die einkaufen. Wir spüren es ja nicht so richtig, weil wir unsere Fahrräder zuerst parken. Das ist das einzige, was mir einfällt zum Thema Amt. Dass die Lieferung spät abends kommt, da haben wir aktuell so ein bisschen einen Aushandlungsprozess, wie wir begreiflich machen können, dass das nicht anders geht, oder was man für Lösungen finden kann, auch mit den Großhändlern.
Wie geht Ihr mit der Fleischdiskussion um? Habt Ihr auch Fleisch im Angebot? Lebt Ihr alle vegetarisch oder vegan?
Sarah: Gemischt, es gibt Vegetarier und Veganer, nee eigentlich gibt es keine Veganer. Ich bin so eine Hobbyveganerin.
Melanie: Ich bin Vegetarierin. Ich glaube, das ist wie mit Tiefgefrorenem. Wir sind acht Leute im Kollektiv und haben alle verschiedene Meinungen über solche Sachen. Deswegen sprechen wir darüber. Was bieten wir an? Was wollen die Leute? Aber das ist natürlich lokal und bio.
Sarah: Das gehört dazu. Vollsortiment, was heißt das? Ah, da ist auch Wurst. Da ist dann die Frage, wie viel Wurst, was für Wurst? Wir haben so das Nötigste an Wurst, würden das auch nicht ausbauen. Im Gegenteil. Wo ich kann, schleuse ich ein paar vegane Sachen ein, einfach um das Sortiment und den Horizont zu erweitern, weil es in der Regel halt nachhaltiger ist als Fleisch. Wir waren auch zu Besuch bei dem Betrieb, von denen wir das Fleisch haben, um einfach mal zu wissen, wie sieht ein Schlachthaus aus? Das gehört irgendwie dazu. Aber eine Frischfleischtheke kam nie in Frage.
Die Schwarzwurzel hat kaum Fleisch und Wurst im Angebot, trotzdem kaufen über 700 Mitglieder im Laden ein. Das Konzept scheint anzukommen. Wie der Bioladen seine Rolle im Viertel am Anfang der Georg-Schwarz-Straße sieht, das gibt’s in Teil 4 zu lesen.