Identitäre am Boden
Es ist jetzt zwei Jahre her, da wollte die Identitäre Bewegung Halle an der Saale zum rechtsradikalen Leuchtturm erklären. Das Projekt ist gescheitert, eine bundesweite Demonstration am 20. Juli soll nun die letzte Rettung sein. Doch verschiedene Initiativen, Kampagnen und Bündnisse rufen zum Protest dagegen auf.
Ein Hausprojekt als Knotenpunkt der Rechten
Halle hat eine gute Lage für ein rechtsradikales Projekt. Es hat gute Zuganbindungen, ist nah an Sachsen und dicht bei Schnellroda, wo mit Götz Kubitschek und Ellen Kositza neurechte Wortführer*innen leben. Die Identitäre Bewegung fand in Halle ab 2015 schnell einen ihrer deutschlandweiten Dreh- und Angelpunkte, reiste zu umliegenden Demos und zu Kubitscheks dörflichen Veranstaltungen. Im Juni 2017 wurde offiziell bekannt gegeben, dass sie mitten in der Stadt ein Hausprojekt unterhält. Es befindet sich in der Adam-Kuckhoff-Straße 16, in direkter Nähe zum Steintor-Campus und bietet den Rechten nicht nur Wohnfläche, sondern auch Orte für Treffen, Weiterbildung und Vernetzung. Eine Zeit lang beherbergte es auch ein AfD-Büro. Von den Hausbewohner*innen gingen in den letzten zwei Jahren wiederholt Gewalt und Bedrohung aus.
Der gescheiterte Leuchtturm
Was schließlich geschah, hätten die Identitären damals schon voraussehen können, hätten sie allein auf die Jahre 2015 und 2016 in Halle zurück geblickt. Es gab massive Proteste gegen ihr Hausprojekt. Anwohner*innen gründeten eine Initiative gegen das Haus. Bündnisse wie „Kick Them Out“ und „Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage“ organisierten Gegendemonstrationen, wenn Veranstaltungen in der Adam-Kuckhoff-Straße 16 stattfanden. Sie und das Kollektiv „IfS dichtmachen“ wiesen außerdem immer wieder öffentlich auf die Hintergründe des rechtsradikalen Hausprojekts hin.
Der Zweck des Hauses – die Vernetzung und Stärkung Neurechter – konnte in den zwei Jahren nicht erfüllt werden. Im Frühjahr 2019 erklärte Andreas Lichert, AfD-Politiker und ehemaliger Hausverwalter, das Projekt für gescheitert.
Die Demonstration am 20. Juli 2019 in Halle kann als letzter Versuch der Identitären Bewegung gewertet werden, ihrem Haus Bedeutung zu verschaffen. Sie soll um 12 Uhr am Hauptbahnhof starten, ab 16 Uhr ist ein „Straßenfest“ vor dem Haus in der Adam-Kuckhoff-Straße angekündigt.
„Wir wissen, dass man eigentlich nicht nachtritt, wenn jemand schon am Boden liegt“
So lautet eine Zeile im Aufruf der „Nice to beat you“-Kampagne. Weiter heißt es allerdings: „Fakt ist jedoch, dass Halle nach wie vor [einen wichtigen] Vernetzungspunkt für die Neue Rechte darstellt.“ Die Kampagne ruft dazu auf, den „Identitären Aufmarsch [zu] verhindern“.
Ähnlich sieht es „Halle gegen Rechts“, das mit der Kampagne „Identitäre stoppen“ ebenfalls zu Protesten aufruft. Das Bündnis sieht vor allem die Gewalt, die von Rechtsradikalen rund um die Identitäre Bewegung ausgeht, als Gefahr an. Spenden des Attentäters von Christchurch an den österreichischen Identitären-Chef Martin Sellner oder der Versuch der Identitären Bewegung, Seenotrettung auf dem Mittelmeer zu behindern, seien nur zwei Beispiele dafür, wie Rechtsradikale ihre Ideologie in Taten umsetzen.
Zahlreiche und vielfältige Proteste
Beide Kampagnen kündigen deutlichen und vielfältigen Protest gegen den Aufmarsch der Identitären an. Da Gespräche mit der Versammlungsbehörde noch stattfinden werden, sind bisherige Angaben jedoch noch nicht sicher. Laut „Halle gegen Rechts“ sind folgende Kundgebungen und Demonstrationen geplant:
- 10:00 Uhr Demonstration I vom Steintor (Platz am Steintor)
- 10:00 Uhr Demonstration II vom Rannischen Platz
- 12:00 Uhr Demonstration III vom Universitätsplatz
Des Weiteren startet um 10:30 Uhr eine „Critical Mass“ Fahrraddemonstration auf dem August-Bebel-Platz. Die Stadt Halle, die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und weitere lokale Akteure veranstalten von 12 bis 18 Uhr ein „Bürgerfest der Demokratie“ auf dem Steintor Campus.
Bundesweite Mobilisierung – des Gegenprotestes
Seit Wochen schon wird der Protest gegen die Demonstration der Identitären bundesweit beworben. „Nice to beat you“ bietet eine Schlafplatzbörse für all diejenigen an, die eine weite Anfahrt haben. Aus Leipzig ruft das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ zur gemeinsamen Anreise auf. Dresdner*innen können sich der Zugfahrt verschiedener antifaschistischer Gruppen anschließen.
Bei „Halle gegen Rechts“ hofft man auf großen und kreativen Protest: „Gemeinsam können wir uns gegen die extreme Rechte wehren. Dazu braucht es viele Menschen, die sich engagieren und viele gute Ideen!“