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Schwarze Geschichte gehört in Geschichtsbücher!

Am 27. Februar 2021 protestierten etwa 150 Menschen vor den Toren des Leipziger Zoos. Ihre Forderung: Eine umfassende und sichtbare Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit des Zoos.

Rahel Yohannes von der ISD Leipzig erklärt im Interview, warum die Protestierenden ausgerechnet diesen Ort und diesen Zeitpunkt ausgewählt haben und welchen Umgang mit Schwarzer Geschichte und mit Rassismus und Postkolonialismus sie fordern.

Was findet hier gerade statt?

Wir haben heute eine Kundgebung im Rahmen des Black History Month organisiert. Konkret haben wir eine Aktionswoche veranstaltet – also die Black History Week vom 24. Februar bis zum 2. März 2021.Es gab schon mehrere Workshops, in denen es um Empowerment für Schwarze Menschen ging, aber auch um Bildungsarbeit. Es gibt am kommenden Montag noch einen Vortrag zum Thema Schwarze Geschichte und wie sie systematisch keinen Eingang in die weiße Geschichtsschreibung gefunden hat.

Der Black History Month kommt aus den USA und wurde dort schon 1926 von Carter G. Woodson, einem afroamerikanischen Historiker ausgerufen. Ziel ist es, die afroamerikanische Geschichte darzustellen.

In Deutschland gibt es den Black History Month schon seit den 90er Jahren. Insbesonders die ISD, die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, hat ihn in die Öffentlichkeit gerückt. Und wir möchten heute die Tradition des Black History Month leben und Schwarze Geschichte in den Vordergrund rücken. 

Wieso protestiert ihr hier am Zoo in Leipzig?

Wir demonstrieren hier ganz bewusst vorm Leipziger Zoo. Der Leipziger Zoo hat von 1876 bis 1931 sogenannte „Völkerschauen“ veranstaltet. Der Zoo wurde von Ernst Pinkert gegründet und geleitet. Pinkert hat in enger Zusammenarbeit mit dem Kolonialhändler Hagenbeck Tiere, Pflanzen und schließlich auch Menschen importiert. Die Menschen mussten in „Völkerschauen“ rassistische und koloniale Stereotype darstellen. Diese Ausstellungen waren oft für die europäische, oder in diesem Fall auch deutsche, Leipziger Gesellschaft, die einzigen Berührungspunkte mit People of Color, mit Schwarzen Menschen. Und so wurden durch diese koloniale Praxis viele Stereotype geprägt, die es heute noch in unserer Gesellschaft gibt.

Wir protestieren heute hier, damit der Leipziger Zoo seine koloniale Geschichte anerkennt, transparent macht und aufhört, Stereotypen und koloniale Mythen weiterhin zu propagieren. Es gibt im Zoo keinen sichtbare Form von Gedenken daran und auch in den sozialen Medien werden Posts zu dem Thema durch den Zoo gelöscht. Also, es gibt bisher einfach keine Aufarbeitung, schlimmer noch, es wird verschleiert oder geleugnet.

Organsator*innen und Protestbeiträge:

Die Gruppe le_diasporique hat zur Kundgebung aufgerufen. Unterstützt wurde sie von Mitgliedern der ISD Leipzig (Initiative Schwarze Menschen in Deutschland) und Black-Lives-Matter-Aktivist*innen. Die AG Leipzig Postkolonial des Vereins Engagierten Wissenschaft e.V. klärte auf der Kundgebung über die koloniale Geschichte und deren Fortbestand rings um den Leipziger Zoo auf. Die Gruppe Copwatch Leipzig hielt einen Redebeitrag zu rassistischen Polizeikontrollen in der Eisenbahnstraße. Ein Grußwort kam von der Internationalen Oury Jalloh Kommission. Am Ende der Kundgebung gab es Live-Hiphop mit Freestyles von u.A. MC.Cheikh und Crew und ein DJ-Set von DJ Somali Vendetta.

Wer muss jetzt dafür aktiv werden?

Wirklich etwas tun müsste jetzt die Stadt Leipzig, also die Politik. Es gab im letzten Jahr eine Beschluss im Stadtrat, die koloniale Geschichte Leipzigs aufzuarbeiten und das auch auf der Website der Stadt Leipzig zu zeigen. Allerdings blieb es bisher immer nur bei Versprechungen und Worten. Das ist dann sogenannter performativer Antirassismus. Ob tatsächlich Taten folgen, ist die Frage.

Wir fordern, dass die koloniale Geschichte transparent gemacht wird, dass Ernst Pinkert als Kolonialhändler auch als solcher dargestellt wird. Und entsprechend auch, dass die Ernst-Pinkert-Schule umbenannt wird, genauso wie die Ernst-Pinkert-Straße. Wir fordern, dass die Geschichte, so, wie sie geschehen ist, tatsächlich anerkannt, und erzählt wird. Das ist das Hauptanliegen unseres Protests.

Nachdem 2020 der Schwarze George Floyd von einem weißen Polizisten ermordet wurden, startete weltweit die Black Lives Matter Bewegung. In Protesten und Debatten wurde alltäglicher Rassismus sichtbar, und auch der Kampf dagegen. Ist die Solidarität geblieben?

Ja, zunächst einmal: Es gab die großen Demos. Kritisch sehe ich dabei aber, dass viele Leute es nicht haben kommen sehen, obwohl anti-Schwarzer Rassismus schon immer da war, schon immer präsent war. Es ist traurig, dass es abermals eine brutalen Mord geben musste, um Öffentlichkeit auf das Thema anti-Schwarzer Rassismus zu bekommen. Aber meines Erachtens ist Schwarze Existenz, Schwarzes Leben tatsächlich ein bisschen mehr in die Öffentlichkeit gerückt, bisher gab es nur leider kaum richtige Handlungen.

Aber es gibt auch Erfolge. Zum Beispiel in Minneapolis in den USA, der Stadt in der George Floyd gelebt hat und ermordet wurde, wird jetzt tatsächlich an der Auflösung der Polizeibehörde gearbeitet. Also, dem Slogan „Defund the Police“ wird in Minneapolis nachgegangen. Das sehe ich auf jeden Fall als Erfolg.

Als Erfolg sehe ich auch das Empowerment, also die Bestärkung Schwarzer Menschen und auch Menschen of Color. Das kam durch Sichtbarkeit und durch den öffentlichen Diskurs.

Dazu habe ich noch einen Appell: Nämlich, dass Schwarze Geschichte nicht nur im Februar einen gewissen Platz bekommt in der Öffentlichkeit, sondern durchgehend gelehrt wird, anerkannt wird und in unsere Geschichtsbücher Einzug findet.

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