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Die schwarzwurzel Teil 4: Die Umgebung

Wie funktioniert ein kollektiver Bioladen?

Die schwarzwurzel ist ein Bioladen im Leipziger Westen. Aber nicht nur das, sie ist auch ein Kollektiv, das acht Menschen einen Arbeitsplatz bietet und dabei ganz anders funktioniert als ein „normaler“ Laden. Tschop! Tschop! hat nachgefragt: Wie läuft es in so einem Ladenkollektiv ab? Wie baut man es auf? Können acht Menschen gemeinsam Entscheidungen treffen, die einen Laden am Laufen halten? Und: Wie groß ist die Gefahr, sich selbst auszubeuten, wenn man so selbstbestimmt arbeitet?

Sarah und Melanie haben geantwortet, und zwar ganz schön ausführlich. Darum wird diesem Thema ein Vierteiler gewidmet. Teil 4 wirft einen Blick vor die Ladentür: Wie kommt die Schwarzwurzel im Viertel an? Und wie versucht das Kollektiv, aufs Viertel zu wirken? Das Gespräch wurden im Frühjahr 2019 geführt.

Ein kollektiver Bioladen mitten in Lindenau

Die schwarzwurzel befindet sich am Anfang der Georg-Schwarz-Straße in Leipzig-Lindenau. Das Viertel ist in der letzten Zeit hip geworden, Häuser wurden renoviert, Menschen aus Leipzig und von außerhalb sind dazugezogen. Als die Schwarzwurzel 2013 gestartet wurde, sah es dort noch ganz schön anders aus. Darum war die Frage, wie der Laden und seine Umgebung einander beeinflussen, immer ein wichtiges Thema.

Wie seid ihr mit anderen Initiativen im Viertel oder weiter hinaus vernetzt? 

Sarah: Wir haben Interesse daran. Es gibt einen Zusammenruf aller kollektiv organisierten Betriebe in Leipzig. Ich war ja noch nicht da, deshalb weiß ich auch nicht genau, was da passiert. Aber das ist auf jeden Fall sehr cool, dass es einen Ort geben soll, wo sich hierarchiearm organisierte Leute treffen und austauschen könne. Was für Probleme haben wir? Wie regeln wir das? Wer beutet sich wie aus?  Da gibt es tausend ganz tolle Diskussionen, die man führen kann. Und sonst, die Straße hier, der Abschnitt, wir kennen uns schon alle vom Sehen. Wir helfen uns gegenseitig. Jetzt nicht so krasse Hilfen, aber sowas wie: Die einen brauchen Kanister, dann sammeln wir diese Kanister, dann können die die abholen. Leute, die hier ein Café gründen wollen, kommen vorbei und sagen: „Hey, wir gründen hier ein Café! Wir wollen uns vernetzen.“ Also man ist einander schon sichtbar.

Melanie: Wir benutzen einen größeren Raum für die Supervision in der Nähe. 

Sarah: Hausprojekte die Räume haben, zum Beispiel. Das Handstand und Moral, da haben wir auch schon Plenum gemacht, oder Veranstaltungen. Wir nutzen die Subkultur um uns herum. Oder das Café Ocka, die kaufen bei uns ein.

Was wollt ihr im Viertel verändern und warum glaubt ihr, dass Biosachen so wichtig sind?

Melanie: Umweltschutz, unsere Zukunft, Gesundheit. Und dieses Projekt, weil Bioprodukte immer teurer werden. Manchmal auch aus guten Gründen, aber das ist in unserer Gesellschaft schwer zu verstehen, wo die Leute eigentlich nicht genug Geld kriegen. Aber der Laden bietet gesunde Produkte und Ökoprodukte zu günstigen Preisen an. Das war wichtig am Anfang des Projekts.

Sarah: Das sind die Gründe für die Mitgliedspreise: Dass wir versucht haben, sichtbar zu machen, was das Produkt tatsächlich kostet, wenn wir nur unseren Aufschlag drauf tun. Und eben der Versuch, auch für Menschen mit weniger Einkommen eine Möglichkeit zu schaffen, Bio einzukaufen, ohne dass sie sich in den Ruin stürzen.Was wir auf jeden Fall noch erreichen können, ist, dadurch, dass wir im Kontakt zu den Hersteller*Innen stehen, können wir da auch nach den Arbeitsbedingungen fragen. Wo kommt das Zeug her? Wir können die besuchen. Wir können das angucken. Wenn uns Betriebe nicht gefallen, nicht in unsere Standards passen, können wir entscheiden, nehmen wir die trotzdem, oder nehmen wir die nicht? Wir haben viel Ware aus Kooperationen und Kollektiven. Da haben wir noch Macht, erstens in die Betriebe rein zu wirken und zu fragen, habt ihr einen Betriebsrat? Warum habt Ihr keinen Betriebsrat? Man kann Einblicke gewinnen und die eben weitergeben.

Läuft alles wie geschmiert im Kollektivbetrieb?

Klappt das auch?

Sarah: Ja, es gibt  nicht nur Schnösel, die hier einkaufen, sondern tatsächlich Leute, wo ich das Gefühl habe, die machen das aus Überzeugung, denen ist das wichtig und deswegen finanzieren die sich das. Bei uns ist es günstiger als in anderen Bioläden, weil wir anders kalkulieren. Das heißt nicht, dass andere Bioläden sich bereichern, aber dass sie einfach andere Kalkulationsmodelle haben. Plus, bei uns weiß man, dass das Geld tatsächlich in unsere Löhne fließt und in den Laden und nicht in die Yacht auf Mallorca oder so.Melanie: Angeblich gibt es einen Kunden, der Statistik macht. Bei den ganzen Bioläden und Supermärkte und REWE und Konsum, da hat er einen Einkaufskorb gemacht. Und mit unserem Mitgliedspreis sind wir die besten im ganzen Bezirk.

Aber aktuell seid ihr komplett ausgelastet? Ihr nehmt keine Mitglieder direkt auf?

Melanie: Ja, seit Ende Juni 2018. 

Versucht ihr auch für die Leute, die nicht mehr Mitglied werden wollen, ein Angebot zu machen, oder funktioniert das einfach nicht? 

Melanie: Die Probemitgliedschaft für einen Monat geht noch. Es gab eine große Diskussion, als das im Juni passiert ist.

Sarah: Wir haben ein Jahr diskutiert, ob wir einen Mitgliederstopp machen. Alles abgewogen: Ist das fair? Ist das nicht fair? Andererseits müssen wir ja auch gesund hier raus kommen und möglichst nicht kaputt gearbeitet.

Macht ihr auch aktiv außerhalb Eurer Arbeitszeit etwas? Versucht ihr auch als Ladenkollektiv zu wirken?

Sarah: Wir machen bei der Buchmesse immer mit. Da machen wir eine Veranstaltung. Peter Bierl haben wir eingeladen. Einmal kritisch zur Anthroposophie und einmal zu braunen Bauern, also über Ökologie mit Parallelen zu nationalistischen und völkischen Ideologien. Dieses Jahr haben wir was zum Thema nachhaltiger Lebenswandel gemacht. Da gibt es ein Buch von einer Familie, die das ausgetestet und erklärt hat. WIr machen so etwas hier im Kiez. Sonst ist es individuell. Aber wir spenden, unterstützen Projekte mit Lebensmittelspenden. Oder wenn VoKüs („VolksKüchen“ oder auch „Küfa“ – „Küche für alle“ sind gemeinsame und oft kostenfreie Essensangebote) was kochen wollen, oder irgendwas. Nach Anfragen.

Die Schwarzwurzel: Vom Aufbau bis zum Mitgliederstopp

Das Bioladenkollektiv schwarzwurzel hat sich seit 2013 in Leipzig-Lindenau etabliert. Mittlerweile musste mit über 700 Mitgliedern sogar schon ein Aufnahmestopp beschlossen werden. Der Laden beeinflusst nicht nur die Menschen, die im Viertel leben, sondern kooperiert auch mit Läden und Cafés im Kiez. Und nicht nur nebenbei organisieren sich die Kollektivmitglieder und Angestellte so, dass alle einen möglichst angenehmen und stressfreien Arbeitsalltag haben. Hier könnt ihr noch einmal alle Interviews nachlesen:

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