GesellschaftSelber machen & reparieren

Dieser Hashtag sorgt für Aufregung in der Strickwelt

Unter dem Hashtag #Diversknitty zeigt die weltweite Strickcommunity, wie vielfältig sie ist. Doch das Ende von Ausgrenzung und Diskriminierung bedeutet das noch lange nicht.

Wer an eine strickende Person denkt, hat meist das Bild einer weißen Frau mittleren oder höheren Alters im Kopf. Sie ist eine cis Frau, das heißt, sie identifiziert sich mit dem Geschlecht, das ihr nach ihrer Geburt zugewiesen wurde. Außerdem ist sie heterosexuell. Sie hat es schön und gemütlich, strickt und strickt und strickt. Natürlich nicht einfach so, sondern damit die Familie schön warm und mollig eingepackt ist. Dieses Bild ist zwei zum einen völkisch, denn es zeichnet eine weiße Familie, in der die Mutter sich um das Wohl der Männer kümmert. Das ist besonders deshalb problematisch, weil es durchaus weiße Stricker*innen mit Verbindungen in die völkisch-nationalistische Szene gibt. Aber zum anderen ist das Bild glücklicherweise auch völlig veraltet.

Die Strickcommunity ist weltweit verbunden

Dank sozialer Medien können strickende Menschen sich weltweit vernetzen. Anleitungen werden ausgetauscht, Tipps weitergegeben und selbstgefärbte Garne quer über den Globus geschickt. Obwohl überall auf der Welt gestrickt, gehäkelt oder gewebt wird, bleibt das klischeehafte Bild der weißen Frau erhalten. Einer der Gründe dafür ist die fehlende Repräsentation von anderen Menschen als ihr. Ein anderer ist, dass Rassismus und Diskriminierung auch in der gemütlichen Wollewelt existieren.

#Diversknitty hat für Aufregung in der Strickcommunity gesorgt

Wo sind all die Menschen?

Fehlende Repräsentation bedeutet, dass Menschen oder Personengruppen zu wenig gezeigt werden. Schaut man in einen Strickkatalog, erblickt man dort: Weiße Frauen. Nimmt man an Workshops teil, ist man umringt von: Weißen Frauen. People of Color (POC, also nicht-weiße Personen), Männer, queere Personen, besonders junge oder auch besonders alte Menschen existieren durchaus in der Strickcommunity. Doch sie werden nicht gezeigt oder gehen in der schieren Menge der Bilder von weißen heterosexuellen cis Frauen unter.

Der Strickdesigner Nathan Taylor startete den Hashtag #Diversknitty

Hier sind all die Menschen: #Diversknitty

Um der fehlenden Repräsentation entgegenzuwirken, rief der Strickdesigner Nathan Taylor alias „Sockmatician“ den Hashtag #Diversknitty ins Leben. Als homosexueller Mann fühlte er sich in der Strickcommunity nicht ausreichend repräsentiert. Der Hashtag sollte ein Ort für alle Menschen in der Community sein, denen es ähnlich geht. Er soll auch heute noch all denjenigen Sichtbarkeit verschaffen, die in Katalogen und Magazinen oder auf Workshops kaum repräsentiert sind. Die Aktion war ein voller Erfolg. Mittlerweile finden sich unter #Diversknitty allein auf Instagram über 10.000 Postings.

View this post on Instagram

Hello, how are you? Loaded question, I know. Just feel like talking, listening, breathing? Care to tell me more about who you are as a person?⁣ I think I’ll start here:⁣⁣ ⁣⁣⁣ I’m Ocean.⁣⁣⁣ ⁣⁣⁣ I’m a maker, a dreamer, a wildflower picker, a puddle jumper, a knitter, a dyer, a lover, a home of emotions, a giver, a baker, a truth seeker, a silversmith, an imperfect person, a mama. Before I am any of these, I am myself.⁣⁣⁣ ⁣⁣⁣ Working daily, to try and decipher out some impossible puzzle, an arrangement of my being. Layed out bare on the warm summer grass, a tickle at my feet. A call that radiates, unrelenting in its vibrancy, somewhere else altogether. The same but changing, a slice of yesterdays leftovers, ready for the heat of tomorrow’s sun.⁣⁣⁣ ⁣⁣⁣ Seen and ignored, fumbling with a distant hand, arms outstretched, a constant moving target. Balanced on unsteady toes, I try. Oh, I’ve tried. The ground shakes, swells, parts. I should move, but just, one, more, try. Met by warmth, still no key. Where is this key. What is behind that door? Why is there a door. Ornate and tempting, I feel pulled.⁣⁣⁣ ⁣⁣⁣ I spin on my heels, I hear a rustle in the trees, my braids whipping in the air, eyes like mine but different meet my gaze. Each light with a key in hand. Voices, smiles, tears, anger, joy, sorrow, beauty, light. I reach down into my pocket, 2 objects inside. The one I reach for first for is the same as theirs. Golden. Seen. Here.⁣⁣⁣ ⁣⁣⁣ We’ve been here all along.⁣⁣ ⁣ BIPOC. ⁣ ⁣ ⁣⁣⁣ You and I.⁣⁣ ⁣⁣ Us.⁣⁣ ⁣⁣ 💓

A post shared by 𝓞𝓬𝓮𝓪𝓷 ☼ 𝓑𝓸𝓽𝓪𝓷𝓲𝓬𝓪𝓵 𝓭𝔂𝓮𝓻 (@ocean_bythesea) on

„Wir waren die ganze Zeit hier. BIPOC [Schwarze & indigene Menschen, nicht-weiße Menschen]. Du und ich. Wir.“

2019: Der antirassistische Aufschrei

Aktuell steht #Diversknitty vor allem für Antirassismus. Grund dafür ist, dass sich um den Jahreswechsel eine US-amerikanische weiße Strickerin in einem Video rassistisch äußerte. Dementsprechend gab es einen Outcall: Das bedeutet, dass andere Personen diesen Rassismus öffentlich aufzeigten und scharf kritisierten. Während diese eine Strickerin gut reagierte, die Kritik annahm und versprach, sich mit ihrem eigenen Rassismus zu beschäftigen, gab es auch eine andere Seite. Auf dieser versammelten sich weiße Stricker*innen, die Rassismus verharmlosen wollten oder sogar behaupteten, es gäbe ihn nicht. Bei einigen von ihnen wurde durch diese vehemente Abwehrhaltung die völkische und rassistische Sichtweise umso deutlicher.

View this post on Instagram

The tea is served.

A post shared by Grace Anna Farrow (@astitchtowear) on


„Hat gut 54 Pussy Hats gestrickt, als „Akt der Solidarität“, aber dabei nicht die Zeit gefunden, mit ihrer Schwester darüber zu reden, wie sie ihren schwarzen Nachbarn behandelt“

Rassistische Verstrickungen auflösen!

Zahlreiche Menschen innerhalb der Strickcommunity beschäftigen sich seitdem mit der Thematik. Von Rassismus Betroffene berichten, wie sie nicht nur in ihrem Alltag, sondern auch in der sonst so flauschigen Strickwelt diskriminiert werden. Sie berichten beispielsweise davon, wie sie allein aufgrund ihrer Hautfarbe in Wollegeschäften verdächtigt werden, zu klauen. Oder sie veröffentlichen ganz einfach die Nachrichten, die Rassist*innen ihnen in sozialen Netzwerken zuschicken. Die Outcalls, Streits und Diskussionen fanden vorrangig in der englischsprachigen Community statt, erreichten jedoch Mitte Januar auch andere Sprachräume. In der deutschsprachigen Filterblase wurde Rassismus auch mit Blick auf den aktuellen Rechtsruck besprochen.

Macht ein Hashtag schon Vielfalt aus?

Das Thema #Diversknitty flaut langsam wieder ab. Vor allem diejenigen, die es sich leisten können – weil sie nicht von Rassismus betroffen sind – kehren wieder zu den üblichen Strickthemen zurück. Wie in allen anderen Bereichen der Gesellschaft auch, ist Rassismus in der Strickcommunity ein Problem. Dass es keins bleibt, kann nur mit gemeinsamer Arbeit daran erreicht werden. Dass nicht nur weiße Frauen stricken, häkeln, weben oder Wolle färben wird weiterhin gezeigt werden und sich auch in Magazinen, Katalogen und auf Veranstaltungen widerspiegeln. Und dass es unter strickenden, häkelnden, webenden oder Wolle färbenden Personen mehr zu bereden gibt als schöne Garne, steht spätestens jetzt auch fest. Ein Hashtag kann reale Probleme nicht lösen. Aber #Diversknitty ist definitiv ein Anfang, um sie anzugehen.

„Anfang der Woche, nach einigem Grummeln in der Strickcommunity, habe ich mich geöffnet und erzählt, wie mich die rassistischen Kommentare verletzt haben. Und dann, erst dann, wurden die rassistischen Kommentare gelöscht.“

Ein Gedanke zu „Dieser Hashtag sorgt für Aufregung in der Strickwelt

Kommentare sind geschlossen.