Feministischer Kampftag 2021 in Leipzig
„8. MĂ€rz ist jeden Tag“, sagt das Feministische StreikbĂŒndnis Leipzig. Und Trotzdem war am 8. MĂ€rz 2021, dem feministischen Kampftag, in Leipzig mehr los als an anderen Tagen: Im SĂŒden, Osten und Westen gab es ĂŒber den Tag verteilt Streikposten. Am Abend fand vor dem Bundesverwaltungsgericht die Abschlusskundgebung statt.
Tschop! Tschop! hat den Tag begleitet
Die Tschop! Tschop! Redaktion war am 8. MĂ€rz in ganz Leipzig unterwegs, hat EindrĂŒcke eingefangen und Interviews mit den Organisierenden gefĂŒhrt. Im Film erklĂ€ren Kim (Feministisches StreikbĂŒndnis Leipzig), Frauke (Care Revolution Netzwerk Leipzig) und Karoline (F*Antifa Leipzig), was der Tag fĂŒr sie bedeutet und wie auch der Rest des Jahres feministisch organisiert werden kann. Das Interview zum Nachlesen findet Ihr am Ende dieses Texts.
Das Motto: „Die Krise steckt im System!“
Nach einem Jahr COVID-19-Pandemie hat sich diese nicht nur in den Hygieneauflagen, sondern vor allem im Motto des Kampftags bemerkbar gemacht. Eines der Hauptthemen war die Sorgearbeit, die in der Pandemie gröĂtenteils von FLINTA* geleistet wird â ob nun als Arbeitskraft in der Pflege, oder unbezahlt im Haushalt. Um auf die fehlende Anerkennung dieser Arbeiten aufmerksam zu machen, hat das StreikbĂŒndnis FLINTA* dazu aufgerufen, sie an diesem Tag niederzulegen.
Wer sind FLINTA*-Personen?
Die AbkĂŒrzung FLINTA* steht fĂŒr Frauen, Lesben, inter, non-binary, trans und agender Personen. Damit wird deutlich gemacht, dass nicht nur cis Frauen gemeint sind, deren GeschlechtsidentitĂ€t mit dem Geschlecht ĂŒbereinstimmt, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. FLINTA* meint alle Geschlechter und IdentitĂ€ten, die in sexistischen Strukturen Diskriminierung, UnterdrĂŒckung und Gewalt erfahren.
Und warum der Genderstern bei Tschop! Tschop! immer dabei ist, das erfahrt ihr hier.
„Wenn wir streiken, steht die Welt still“
Dementsprechend sah es an den unterschiedlichen Streikposten aus: Im Rabet versammelten sich hunderte Menschen auf der sonnigen Wiese, tanzten im Sonnenschein und hörten empowernden RedebeitrĂ€gen zu. In Connewitz organisierte die F*Antifa einen Streikposten, bei dem FLINTA* sich politisch austauschen und es sich einfach gut gehen lassen konnten. Der Karl-Heine-Park in Plagwitz wurde in „FĂŒr Sorge Platz“ umbenannt und bot mit RedebeitrĂ€gen und Performances einen Platz, sich rund um das Thema Sorge zu vernetzen und zu bestĂ€rken.
Der 8. MĂ€rz â ein intersektionaler Kampftag
Bei allen Veranstaltungen stand nicht nur das groĂe Thema Sorge auf dem Programm. Auch sexualisierte Gewalt, Femizide (Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts) und IntersektionalitĂ€t (das Zusammenspiel verschiedener Diskriminierungsformen) wurden thematisiert.
Das komplette Interview zum Nachlesen:
KIM: Hi ich bin Kim. Ich bin vom Feministischen StreikbĂŒndnis und wir sind hier heute am Bundesverwaltungsgericht auf unserer Abschlusskundgebung. Wir hatten heute in ganz Leipzig im Westen, im Osten und im SĂŒden Streikposten aufgestellt.
Heute ist der 8. MĂ€rz, es ist internationaler Frauentag, beziehungsweise fĂŒr uns ist es ein feministischer Kampftag. Das heiĂt, wir beziehen uns nicht nur auf Frauen, sondern auf generell FLINTA*, das sind Frauen, Lesben, inter, nicht binĂ€re und trans Personen
Wir rufen dazu auf, zu streiken und damit meinen wir nicht nur im ĂŒblichen, oder frĂŒheren Sinne, Lohnarbeit niederzulegen, sondern wir meinen auch unsichtbare Arbeit niederzulegen.
„Sorge-Arbeit ins Zentrum!“
FRAUKE: Ich bin Frauke von der Care Revolution Regionalgruppe in Leipzig und genau, ich bin auch beim feministischen StreikbĂŒndnis aktiv.
Genau, wir haben heute den Karl-Heine-Platz umbenannt in âPlatz fĂŒr Sorgeâ, weil wir finden, dass Sorgearbeit, also Care-Arbeit, einfach viel mehr Platz und einen höheren Stellenwert in unserer Gesellschaft braucht. Und dafĂŒr kĂ€mpfen wir heute.
Care-Arbeit umfasst eigentlich alle umsorgenden TĂ€tigkeiten, also alles, was sich auf das Zusammenleben und mit anderen Menschen bezieht, aber auch auf den Erhalt, also zum Beispiel Essen machen, sich um Kinder kĂŒmmern, putzen, aber auch emotionale Arbeit, also emotionale Aufmerksamkeit anderen Personen zu schenken, sich um andere zu kĂŒmmern. Genau, das alles ist Care-Arbeit.
KIM: Jetzt gerade wĂ€hrend der Pandemie sehen wir, wie viele systemrelevante Berufe, also Berufe, die wichtig dafĂŒr sind, dass unsere Gesellschaft funktioniert, oder grundlegend dafĂŒr sind, dass unsere Gesellschaft funktioniert, vor allem von FLINTA* Personen, also von Frauen und Queers getragen wird. Genau, und das System wĂŒrde nicht funktionieren ohne diese Arbeit. Das Problem ist nur, dass diese Arbeit meist wenig oder gar nicht entlohnt wird.
„Gegen Patriarchat und Kapitalismus!“
KAROLINE: Ich bin Karoline von F*Antifa Leipzig und wir sind im Streikkomitee 8. MĂ€rz organisiert und machen heute hier einen Streikposten.
Also, wir als F*Antifa-Gruppe wehren uns hier natĂŒrlich nicht nur gegen das Patriarchat, dazu werden sicherlich auch die anderen Streikposten viel sagen können, sondern fĂŒr uns ist die Krise auf jeden Fall auch in Staat und Nation, in rassistischen KontinuitĂ€ten, in tödlichen Angriffen auf FLINTA* bezogen.
Uns ist es ganz wichtig, dass hier auch nochmal zu betonen, dass natĂŒrlich wir jeden Tag Sexismus und Misogynie erleiden mĂŒssen als FLINTA* Personen, aber dass definitiv auch die Struktur, also Staat und Nation und Gesellschaft anzugreifen ist.
KIM: Mit System meinen wir ganz klar auch ein kapitalistisches System, auf dem unsere Gesellschaft⊠und ein kapitalistisches System ist eben nicht nur die Wirtschaftsform, sondern auch die Gesellschaftsform, in der wir leben Leistungsgesellschaft. Eine Gesellschaft, die eben manche Arbeit mehr entlohnt als andere, weil sie mehr Leistung in dem Sinne bringt, obwohl das gar nicht so stimmt.
Patriarchat und Kapitalismus sind sehr, sehr stark mit einander verzahnt, so eng, dass wir eben auch meinen, um das Patriarchat abzuschaffen und zu ĂŒberwinden, mĂŒssen wir auch den Kapitalismus abschaffen. Und das zeigen wir auch ganz klar auf.
FRAUKE: Genau, und ich glaub, generell braucht es viel gesellschaftliche KÀmpfe und Aushandlung darum, was eigentlich in unserer Gesellschaft wichtig ist. Ob es irgendwie ein Konzern ist wie Tui, der in der Krise ein paar Millionen Euro bekommt, oder ob es die Frauen und FLINTA* in Familien sind, denen wie selbstverstÀndlich die Sorgearbeit zugeschrieben wird.
KAROLINE: Das geht ja von liberalem Feminismus, der in irgendeiner Weise eine Girlboss-Culture pflegt, bis hin zu ZugĂ€ngen zum Arbeitsmarkt,zu gerechter Aufteilung von Arbeit, zu gerechter Entlohnung, sollte uns aber auch in unseren eigenen linken Strukturen betreffen, weil auch da sind FLINTA* unterreprĂ€sentiert, Stichwort MĂ€nnliche Antifagruppen, mĂ€nnliche Hausprojekte, Stichwort Ăbergriffe auch auf FLINTA* und nicht verhandelten Sexismus, der permanent eigentlich stattfindet. Und der Ă€uĂert sich von Redeverhalten zu Ăbergriffen auf der StraĂe, Cat Calls und so weiter.
„Gegen sexualisierte Gewalt!“
KIM: Das ist auch ein ganz klarer Aufruf an alle cis MĂ€nner â meistens sind nĂ€mlich MĂ€nner TĂ€ter dieser Ăbergriffe â bildet euch, sensibilisiert euch und auch euern Umkreis dafĂŒr. Vor allem eure cis MĂ€nner Freunde!
KAROLINE: Und ich denke, dass Gewalt von der kleinen Sache auf der StraĂe bis hin zu dem konkreten Mord, den Ăbergriffen begriffen werden muss und angegriffen werden muss.
Und ich finde, es ist wichtig, dass wir als FLINTA* da auch unversöhnlich auftreten und sagen, Wer nicht antisexistisch sich verhÀlt und nicht profeministisch sich verhÀlt, mit dem arbeiten wir nicht zusammen.
Passieren mĂŒsste, dass eine BeschĂ€ftigung mit Antisexismus stattfindet, das bedeutet, gemischt geschlechtlichen Gruppen und alle Gruppen, wo mit cis MĂ€nnern zum Beispiel kooperiert wird, die mĂŒssen sich mit Antisexismus auseinandersetzen. Die mĂŒssen sich vor allem aber auch profeministisch beschĂ€ftigen und da gehtâs nicht um toxische MĂ€nnlichkeit, sondern da geht es darum, MĂ€nnlichkeit als Ganzes zu begreifen und immer wieder zu reflektieren und auch anzugreifen. Bei Reflektion bleibt das Ganze nicht stehen.
FRAUKE: Ich denke das ist generell eine schwierige Sache. Aber ĂŒberhaupt, glaube ich, hilft es, wenn cis MĂ€nner sich dessen bewusst werden und einfach anfangen, selber nachzufragen, wie es der Partnerin geht, selber anzufangen, im Beruf zurĂŒckzutreten und sich um die Kinderbetreuung zum Beispiel zu kĂŒmmern.
KAROLINE: Was mir heute besonders gut gefÀllt, ist, dass ich Zeit mit meinen Genoss*innen und Freund*innen hier verbringen kann, dass wir kÀmpferisch zusammen die Zeit verbringen, dass wir auf jeden Fall politisch miteinander sein können.
„8. MĂ€rz ist jeder Tag!“
KIM: FĂŒr uns ist eigentlich das Motto: â8. MĂ€rz ist jeder Tagâ. Um sich weiter zu solidarisieren, sich zu bilden, sich zu sensibilisieren fĂŒr feministische Themen Care-Arbeit gerecht aufteilen, DarĂŒber hinaus auch emotionale Arbeit. Wer fragt wen, wie es einem geht? Wer fragt nach, wer meldet sich bei wem? Das sind alles Aufgaben, die oft von FLINTA* ĂŒbernommen werden.Â
Das heiĂt, cis MĂ€nner, macht das!
Und ansonsten, an alle FLINTA* sag ich, Bildet Banden! Nur gemeinsam können wir es schaffen, das System zu ĂŒberwinden!