„Gegen Macker und Sexisten“ – Demo in Connewitz
Am Samstag, dem 16.10.2021 hat die Gruppe FLINTA* Fight Back aus Leipzig in Connewitz eine Demo organisiert. Unter dem Motto „Gegen Macker und Sexisten – Konsequent gegen patriarchale Gewalt! “ zogen circa 300 Menschen protestierend vom Wiedebachplatz einmal quer durch Connewitz. In den Redebeiträgen kritisierten sie die sexistische Gewalt, die sie auch in Connewitz alltäglich erleben müssen.
So ging es um Sexismus in der Punkszene und um Fehlstellen in den Awarenesskonzepten von vielen Kneipen, Bars und Clubs. Die Gruppe #KeineMehr Leipzig sprach über die extremste Form sexistischer Gewalt: Feminizid. Unter Feminizid, oder auch oft Femizid, versteht man den Mord an FLINTA*, weil sie als Frauen gelesen werden.
Von einem weiteren Aspekt der patriarchalen Gewalt berichtete die Gruppe Change tattoo Leipzig: Das häufige Ausnutzen der Machtstrukturen bei Tattoo-Terminen. Dabei ging es auch konkret um ein Studio, welches, nachdem immer mehr Übergriffe bekannt wurden, vor Kurzem geschlossen worden ist.
Fight Back Leipzig ist seit Mitte 2021 aktiv und hat bereits dreimal einen sogenannten FLINTA*-Cornerabend organisiert. Dabei haben sich teilweise über 100 Menschen zum gemeinsamen Cornern – geselligem Zusammensein auf der Straße – getroffen und sich so Orte zurückerobert, die sonst aufgrund der häufigen Übergriffe schon länger von FLINTA* gemieden wurden.
Wie die Gruppe Connewitz zu einem sicheren Ort für FLINTA* machen will, erzählen Mieze und Penelope von FLINTA* Fight Back im Interview.
Wer seid ihr, Fight Back Leipzig?
Penelope: Zuerst waren wir eine lose Zusammensetzung von Menschen, die Betroffene patriarchaler Gewalt sind. Wir haben uns zusammengefunden aus der Erkenntnis, dass wir alle Übergriffe erlebt haben und dass wir bestimmte Probleme im Kiez gesehen haben, die andere überhaupt nicht verstehen – gerade cis Männer. Und dann sind wir ganz schnell zu einer richtig guten Gruppe geworden.
Welche Probleme gibt es denn im Kiez?
Penelope: Dass FLINTA*-Personen bedrängt werden, gegen ihren Willen angefasst werden, oder schlimmeres. Das geht von „Dieser Typ bedrängt mich ständig vorm Späti“ bis hin zu „Ich bin Betroffene von Stalking durch meinen Ex-Partner“. Ganz viele unterschiedliche Sachen werden an uns herangetragen. Natürlich macht es nachdenklich, wenn man merkt, dass so viele Anfragen kommen. Wir versuchen, eine positive Wandlung hinzubekommen, auch mit der Unterstützung von cis Männern als Allies, weil wir wissen, dass es alleine nichts wird.
„Fight Back“ – was bedeutet das?
Mieze: Wir sehen uns nicht als das, was manche von uns denken: Als Schlägertruppe, die zu irgendwelchen cis Männern nach Hause geht und denen aufs Maul haut. Wir versuchen, uns die Plätze, die uns durch Mackerverhalten und Sexismus genommen werden, wiederzuholen. Hier in Connewitz, das sich ja eigentlich antifaschistisch und antisexistisch definiert, hat die antisexistische Arbeit in den letzten Jahren sehr weit abgebaut. Da wollen wir wieder aktiv sein, zum Beispiel genau vor diesem Späti.
Penelope: Das, was passiert, wollen wir sichtbar machen, Das heißt, wir wollen Betroffene sichtbar machen, aber auch ganz offensiv Personen benennen, die Täter sind. Wir haben schnell entschieden, dass wir nicht nur darüber reden, sondern tatsächlich etwas ändern wollen. So sind unsere Cornerabende entstanden. Und vor ein paar Monaten fiel uns auf, dass die ja auch nur bestimmte Menschen hier im Kiez erreichen. Darum geht heute unsere Demo komplett durch den Kiez. Und uns ist schnell bewusst geworden, dass wir sowas wie Bildung nicht hinten anstellen können, also zum Beispiel Flyer, Blogeinträge oder Redebeiträge. Allerdings sehen wir uns nicht als Institution für Bildung, sondern wir wollen vor allem Menschen Mut zusprechen und ihnen sagen: Ey, es gibt ganz, ganz viele andere, denen es so geht!
Was fordert ihr von den Akteuren hier in Connewitz?
Mieze: Eine Forderung ist, dass sich Ladenbesitzer*innen und Clubbetreiber*innen ganz klar machen, dass ein Awareness-Konzept leider immer nötig ist. Es ist nicht damit abgetan, ein paar Securitys hinzustellen, denn Security und Awareness-Arbeit ist einfach nicht dasselbe.
Gibt es nicht oft schon Awareness in Bars und Clubs?
Mieze: Viele Läden drucken sich einen Awareness-Zettel aus, heften ihn an die Tür und sagen, dass man sich beim Barpersonal melden kann, wenn was ist. In den meisten Läden, in die man hier zum Biertrinken oder Partymachen geht, besteht das Awareness-Konzept aber tatsächlich nur auf dem Zettel. Wenn man sich beim Barpersonal oder der Security meldet, bekommt man Sachen gesagt wie: „Na ja, ist ja nicht so schlimm“, „Klär das doch selber“ oder „Wenn er dich angetatscht hat, dann hau ihm doch aufs Maul“. So etwas kann man nur sagen, wenn man nicht versteht, dass das nicht der Anspruch ist, den Orte, an die Menschen zum Feiern gehen, haben sollten.
Wie reagiert das Viertel auf eure Aktionen?
Penelope: Die Meinungen sind zum großen Teil sehr positiv, auch von den Projekten und Kollektiven, mit denen wir Kontakt hatten. Aber es gibt auch Menschen, die das nicht so sehen wie wir. Die fühlen sich zum Großteil wahrscheinlich zu Recht angegriffen. Beim letzten Cornern wurde uns zum Beispiel gesagt, wir wären militante Männer-Hasserinnen.
Wie geht ihr mit solchen Reaktionen um?
Penelope: Ich habe gesagt, wir hassen nicht alle Männer, nur die, die zu Tätern werden. Und wir sind nicht militant, sondern konsequent.
Mieze: Die krasseste Erfahrung, die ich machen durfte, war in einer Bar im Kiez. Da haben wir gefragt, ob wir unsere Plakate aufhängen können. Ein Gast ist zu mir gekommen und meinte: „Ach ja, das ist so ein Männer-Hasser-Ding“ und er würde ganz schlimm finden, was wir machen und finde Outcalls an sich ganz schlimm. Er hat das sogar mit dem Holocaust verglichen. Daran sieht man gut, wie lächerlich manche Kritik ist.
Was sollten cis Männer von eurer Demo mitnehmen?
Mieze: Der wichtigste Punkt ist Täterschutz: Jeder Täter hat Freundinnen und Freunde. Aus Loyalität sagt man erstmal: „Das ist ein Freund von mir, eine Freundin von mir, die machen sowas nicht.“ Aber genau diese Menschen machen das eben doch. Da sollte man hinterfragen, wie man sich mit Vorwürfen auseinandersetzt. Außerdem sollten cis Männer mal drüber nachdenken, wie Ratschläge wie „Hau ihm doch aufs Maul“, „Warum wehrst du dich nicht?“ oder „Zeig ihn doch an“ klingen. So einfach ist es nämlich nicht. Die heile Welt wird meistens darüber definiert, wie cis Männer sie sich vorstellen. Für FLINTA*-Personen ist das nochmal eine ganz andere Sache, was eine heile Welt ist und was nicht.
Und wie macht ihr nach der Demo weiter?
Penelope: Wir haben noch unfassbar viele Themen rund um Erfahrungen von FLINTA*-Personen. Auf Instagram versuchen wir, sie zu vermitteln. Wir wollen das möglichst so machen, dass alle sie verstehen, egal, ob dreizehnjähriges Mädchen, das irgendwie merkt, hier läuft es nicht so, wie ich das möchte, oder cis Männer, die die Probleme nie als Probleme wahrgenommen haben. Jetzt, wo die kalte Jahreszeit kommt, wollen wir außerdem ein paar Aktionen drinnen starten. Ein Kollektiv stellt uns jeden Freitag Räume dafür zur Verfügung. Wenn es soweit ist, werden wir es ankündigen.
Auf jeden Fall wollen wir weitermachen, weil unsere Arbeit anscheinend vielen Leuten im großen Stil hilft.
Flinta* ist kein Synonym für Frau. Flinta* steht für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans* und agender Personen. Cis Männer können flinta* sein wenn sie nicht endo sondern intergeschlechtlich sind. Den Begriff Flinta* als Synonym für Frau zu benutzen unterdrückt all diejenigen die keine Frauen sind und strukturelle,patriarchale Gewalt erfahren.