Was war?

Was War? 18.03.1871 – Die Pariser Kommune

Ich habe den Geschichtsunterricht der gymnasialen Oberstufe genossen erhalten. Und wenn ich mich da so zurückerinnere, was da für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts behandelt wurde, dann waren das hauptsächlich die Deutschen Einigungskriege sowie der Großteil des Kaiserreichs. Inklusive, immerhin, des Kolonioalismus. Aber von der “Pariser Kommune” hatte ich in der Schule nie etwas gehört.
Indirekt nahm ich das Thema zuerst wahr, als ich Jahre später über Bertolt Brechts “Resolution der Kommunarden” gestolpert bin. Was denn bitte für Kommunarden? Kommunarden, das waren doch die Leute, die Ende der 1960er in Groß-WGs lebten und irgendwie für “freie Liebe” waren und diese praktizierten. Oder nicht? Nein, in diesem Fall tatsächlich nicht. Die Kommunarden, das waren diejenigen Menschen, die sich 1871 an der Errichtung der Pariser Kommune beteiligt hatten. Aber was ist das denn jetzt schon wieder?

Der Hintergrund

Wir erinnern uns: 1870/71 fand der so genannte Deutsch-Französische Krieg statt. Das auf deutscher Seite federführende Preußen und seine Verbündeten besiegten früh einen Großteil der französischen Streitkräfte und konnten sogar den regierenden Kaiser Napoleon III. gefangen nehmen. In Paris bildete sich eine neue, bürgerliche Regierung. Diese hatte nur zwei Probleme: 

  1. Frankreich war immer noch im Krieg gegen Preußen und die süddeutschen Staaten und 
  2. gab es keine nennenswerte Armee mehr, die hätte kämpfen können. 

Ein Frieden musste her. Der ausgehandelte (Vor-)Friedensvertrag bestimmte die Auflösung der regulären Truppen. Die neu gebildete Regierung weigerte sich aber, auch der bürgerlichen Nationalgarde ihre Waffen abzunehmen. Im Laufe des Krieges hatten diese bewaffneten Zivilisten aber größtenteils eigene Vorstellungen davon entwickelt, wie ein gutes Leben in Frankreich aussehen könnte. Als der Regierung die Sache zu heikel wurde, sollten diesen die Waffen doch abgenommen werden. Doch – Oh Schreck! –die wollten sie aber nicht wieder hergeben!

Experimentierfeld Paris

Und genau das hat sich am 18.03.1871 zugetragen. Mit der Weigerung der Bevölkerung, sich entwaffnen zu lassen und großen Teilen der Nationalgarde, die sich mit ihr verbrüderte, war die Regierung in Paris faktisch entmachtet. Und anstatt wieder neue Abgeordnete  (“Volksdeputierte”) zu wählen, die dann eine Regierung stellen könnten, nahm die Bevölkerung einfach selbst das Heft in die Hand und besetzte mit der Nationalgarde das Rathaus. Daraufhin floh die alte Regierung nach Versailles.

Auf einmal tat sich der einfachen Bevölkerung ein gewaltiges Experimentierfeld auf, um Reformen durchzuführen, die vorher undenkbar waren: Direktdemokratische Elemente in Verwaltung und Gesetzgebung, Ausweitung des Wahlrechts inklusive der Möglichkeit zur Abwahl von Mandatsträger*innen, Überführung von Fabriken in Kollektivbesitz der Werktätigen, strikte Trennung von Kirche und Staat sowie die Einrichtung sozialer Sicherungssysteme für die ärmsten der Armen.

Das waren alles ziemlich radikale Änderungen. Kein Wunder, dass die Kommune nicht nur bejubelt wurde. Zumal es in Versailles ja immer noch eine Regierung für den ganzen Rest Frankreichs gab. Und so kam es, dass bereits nach 30 Tagen, am 28.05.1971, die Zeit der Kommune vorbei war. Regierungstruppen hatten sich blutig wieder die Macht erkämpft und dabei zahlreiche Kommunard*innen (ja, auch Frauen kämpften für die Kommune) getötet.

Und heute?

Aus heutiger Sicht wirkt das alles eher unspektakulär. Vor allem, wenn wir uns die “Errungenschaften” der Kommune anschauen. Vieles davon scheint uns heute selbstverständlich. Aber die Tage der Kommune waren damals ein politisches Erdbeben, das zum ersten Mal den Horizont des Möglichen aufzeigte. Besonders schön in Szene gesetzt hat das 1977 das österreichische Musikkollektiv “Schmetterlinge”. Diese hatten sich auf ihrem Werk “Proletenpassion” der Geschichte der europäischen Arbeiter*innenklasse verschrieben und widmeten der Pariser Kommune darin ein eigenes Kapitel. Dieses wiederum wurde 1978 für das ORF als musikalisches Bühnenstück inszeniert und aufgezeichnet. Weltanschaulich sicher nicht neutral, aber sachlich nicht falsch und auf jeden Fall unterhaltsam!


Bildquelle: https://comptoir.org/2016/03/14/la-commune-paris-revolution-romantique/

Tobias

IT, Sprache(n), Politik, Musik, Literatur. Tut Banane auf Pizza. Ja, wirklich!