Was war?

Was war? – Neonazistischer Mordanschlag in Mölln am 23. November

In der Nacht auf den 23. November 1992 haben Neonazis in Mölln drei Menschen ermordet und neun verletzt. Die Täter haben gezielt Menschen mit türkischer Herkunft angegriffen. Mölln reiht sich ein in die Liste der Ortsnamen, die für rassistische Gewalt der 1990er Jahre stehen: Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, ein halbes Jahr später Solingen. Der Brandanschlag von Mölln ist die erste rassistisch motivierte Tat im geeinten Deutschland, bei der Menschen getötet wurden.

Der Anschlag

Die Täter, zwei Neonazis, griffen zuerst ein Haus in der Ratzeburger Straße 13 an. Die Bewohner*innen überlebten, doch neun von ihnen wurden zum Teil schwer verletzt. Kurz darauf warfen die Neonazis mehrere Molotowcocktails auf die Mühlenstraße 9, das Haus der Farmilie Arslan. Die 51-jährige Bahide Arslan, ihre zehnjährige Enkeltochter Yeliz Arslan und deren 14-jährige Cousine Ayşe Yılmaz kommen bei dem Brand ums Leben. Weitere Familienmitglieder wurden verletzt, einige von ihnen schwer.
Die Täter hatten nach beiden Anschlägen die Feuerwehr angerufen. Beide Anrufe endeten auf “Heil Hitler”. Im Dezember 1993 sind sie verurteilt worden: Der 19-jährige Haupttäter nach Jugendstrafrecht zu zehn Jahren Haft, sein 25-jähriger Mittäter zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Inzwischen sind beide wieder frei.

Die Opfer

Bahide Arslan, Yeliz Arslan und Ayşe Yılmaz wurden im türkischen Çarşamba bestattet. İbrahim Arslan, der kleine Bruder von Yeliz Arslan, hat den Anschlag überlebt. Er engagiert sich gegen Rassismus, für politische Bildung und für eine andere Gedenkkultur.

Das Gedenken an den Brandanschlag in Mölln

Dass İbrahim Arslan sich für Gedenkkultur engagiert, hat auch damit zu tun, wie in Mölln seit 1992 der Opfer des rassistischen Mordanschlags gedacht worden ist. Auf den Anschlag folgten bundesweit Lichterketten gegen Rassismus. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl ließ über einen Sprecher erklären, dass er nicht am Gedenken in Mölln teilnehme, da man nicht “in Beileidstourismus verfallen” wolle.

Die Stadt Mölln erhielt nach dem Anschlag gut 800 Briefe mit Solidaritäts- und Beileidsbekundungen für Familie Arslan. Von den meisten dieser Briefe erfuhr die Familie erst 2019 und nur durch einen Zufall.

İbrahim Arslan äußerte seine Wut über die Gedenkkultur der Stadt zum 21. Jahrestag des Anschlags im Jahr 2013: „Wer einmal Statist war, soll nach Vorstellungen vieler Verantwortlicher immer Statist bleiben. Dagegen wehren wir uns. Für uns Opfer ist das Erkämpfen der Erinnerung ein Teil unseres Lebens geworden.“

Die “Möllner Rede im Exil”

Eine Gedenkkultur, die die Angehörigen rassistischer Morde aktiv mit einbezieht, organisiert İbrahim Arslan seit 2013 gemeinsam mit dem “Freundeskreis im Gedenken an die rassistischen Brandanschläge von Mölln 1992”. Das Gedenken findet nicht mehr in Mölln statt, sondern in wechselnden Städten. Dabei steht die Perspektive derjenigen in den Fokus, die von Rassismus betroffen sind.

Am 7. November 2021 ist die diesjährige “Möllner Rede im Exil” in Kiel gehalten worden.

Titelbild: Jean Pierre Hintze