Wie bunt kann schwarz?
Wie jedes Jahr schwĂ€rzt sich Leipzig auch jetzt wieder zu Pfingsten. Mit dem Wave-Gotik-Treffen (WGT) lockt die Stadt fĂŒr fast eine Woche gut 20.000 GĂ€ste an. Das hinterlĂ€sst in dieser Zeit immer deutliche Spuren im StraĂenbild: Kleinere und gröĂere GrĂŒppchen hĂ€ufig aufwendig gestylter Leute, die allesamt irgendwie schrĂ€g aussehen, ohne sich dabei zu gleichen, bei – natĂŒrlich – schwarz dominierter Kleidung. Aber eben nicht nur.
VielfÀltig schwarz
TatsĂ€chlich ist die so genannte „Schwarze Szene“ ausgesprochen abwechslungsreich. Wie sehr, spiegelt sich anhand der Mode (beispielsweise die knalligen Neonfarben und Puschelstiefel des Cyber-Gothic) und der Vielfalt der in ihr gehörten Musikstile wider. Mittelalterliche Instrumente haben dort ebenso ihren Platz wie Kammerorchester, E-Gitarren und Synthesizer. Obwohl selbstverstĂ€ndlich Schwarz (mit Kontrastfarbe WeiĂ) das einende Element darstellt, ist die Szene nach innen ganz schön bunt.
Und das war sie auch schon immer. SchlieĂlich hat sich die Szene aus dem Punk entwickelt und gerade in den Anfangstagen war hauptsĂ€chlich D.I.Y. („Do it yourself“ – selber machen statt kaufen) angesagt. In dieses „Damals“ fielen auch die ersten (noch inoffiziellen) Grufti-Zusammenrottungen in Leipzig, als sich Ende der 80er Grufties zum gemeinsamen Musikhören, Tanzen und Feiern trafen. Aus diesen AnfĂ€ngen hat sich nach der Wende dann das heutige WGT entwickelt.

Nach der Wende, also der Anfang der Neunziger das war auch die Zeit, in der viele rassistische Pogrome und Morde stattfanden – unter anderem in Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Solingen und Mölln. Diese Ereignisse wurden natĂŒrlich auch in der Schwarzen Szene wahrgenommen. So hat Bruno Kramm (Das Ich) eine ErklĂ€rung aller am Dark-X-Mas-Festival 1992 teilnehmenden KĂŒnstler*innen initiiert, in der diese sich von politisch motivierten, rechten Gewalttaten distanzierten. Klingt soweit vernĂŒnftig, taugte aber offensichtlich nicht als Minimalkonsens: Nicht alle wollten sie auch mittragen. Das Neo-Folk-Projekt „Death in June“ wollte sich nach eigener Aussage nicht politisch Ă€uĂern. Dahinter steckt eine Haltung, die bis heute sehr weit verbreitet in der Szene ist. Viele Szeneangehörige begreifen sich selbst als unpolitisch und versuchen die Dinge nur ihrer Ăsthetik nach zu beurteilen. Folglich haben sie auch keine Probleme damit, beispielsweise Nazi-Symbole zu verwenden, da diese ja nicht politisch, sondern rein Ă€sthetisch bedeutsam seien.
Nach auĂen gestaltet sich die Schwarze Szene vor diesem Hintergrund weit weniger bunt als nach innen. Nicht alle Angehörigen der Schwarzen Szene finden das okay. Ăber die Jahre grĂŒndeten sich viele Initiativen, die versuchen, Diskussionen um die eigene politische Haltung zu fĂŒhren. Gerade das WGT war hierfĂŒr immer wieder Stein des AnstoĂes.
Auch die Gruft ist politisch! Tipps fĂŒr euch đ
Da Tschop! Tschop! zeigen möchte, wie viel Politisches im Alltag steckt, machen wir auch vor der Gruft nicht halt. Es gibt zu Pfingsten nĂ€mlich auch schicke schwarze Veranstaltungen, die nicht im Rahmen des WGT stattfinden und deutlich machen, dass sie eben nicht im (politisch) luftleeren Raum existieren, sondern sich auch als Subkultur fĂŒr eine bunte und weltoffene Gesellschaft stark machen. Wenn ihr wollt, schaut doch einmal hier vorbei:
Aber auch, wenn ihr zur Zeit nicht in Leipzig sein könnt, gibt es hier etwas fĂŒr euch: Eine Playlist erlesener StĂŒcke, die vor Augen und Ohren fĂŒhren, dass es eben doch eine bunte Schwarze Szene gibt. Hier versammelt sind KĂŒnstler*innen, die sich entweder durch entsprechende Statements und Engagements klar positioniert und/oder schlicht durch ihre Songs keine Fragen offen gelassen haben. Dabei hat sich auch klanglich ein ganz schön breites Spektrum ergeben! Wie vielfĂ€ltig und politisch ist die Schwarze Szene? Hört selbst!
sehr schöne Playlist đ
Nur Melotron mit der Cover-Version von Rio Reiser fand ich nicht so passend: einen kritischen Song zu covern, ist zwar auch eine Aussage, aber fĂŒr mich vertritt ein Musiker seine Position noch stĂ€rker, wenn er dies mit einem eigenen Lied tut.
Hey, vielen Dank! Das ist natĂŒrlich richtig. Aber es ist durchaus denkbar, dass fĂŒr eins selbst bereits jemensch anders schon den Nagel derart auf den Kopf getroffen hat, dass eigene Worte kaum nötig erscheinen. Und ich wĂŒrde auch niemensch nen Strick draus drehen, sich im eigenen kĂŒnstlerischen Schaffen nicht vordergrĂŒndig politisch zu sehen und deshalb „nur“ auf eine Positionierung per Cover zurĂŒckzugreifen. Ist ja letztlich die Positionierung, die zĂ€hlt đ
Achso, ASP hat sich mit „Sage nein“ ja auch bei Konstantin Wecker bedient. Nur finde ich hier das Cover ausnahmsweise wirklich besser als das Original^^