Die Demo tanzt Schwanensee
#kleinkunstalltag 2
– Kolumne von Florian Teller
Der Frühling läutet sich ein. Die Sonne scheint, Blätter lugen hervor und die Vögel zwitschern. Auch für uns Kleinkünstler*innen beginnt eine andere Jahreszeit. Der Saisonbeginn naht und löst die „Saure-Gurken-Zeit“ ab.
Während die meisten die Sonne im Park genießen, fahre ich in die Provinz oder andere Städte, um Menschen vor Ort zu unterhalten. Montag früh sinke ich dann mit einem geseufzten „Endlich Wochenanfang“ zurück in die Kissen. Schön wär’s, hat doch auch mich der Selbstoptimierungswahn voll im Griff. Also quäle ich mich regelmäßig in die Trainingshalle mit dem Versuch, Handstände und Keulenjonglage zu optimieren und generell den Körper halbwegs in Form zu halten. Nicht zu vergessen: Die wöchentliche Ballettstunde.
Ballett gegen überholte Männlichkeitsideale
Ballett soll ja eine Grundlage sein für alle, die sich mit Körperkunst beschäftigen. Doch lehrt Ballett vor allem die eigenen körperlichen Unzulänglichkeiten demütig hinzunehmen. Fühlte ich mich vor der Ballettstunde noch fit und beweglich, komme ich mir dabei vor allem klopsig und ungelenk vor. Es gibt keine bessere Sportart sich der eigenen Unvollkommenheit bewusst zu werden. Vor allem für Männer, ist Ballett doch immer noch als ein Betätigungsfeld für Schwule oder Frauen verschrien. Ein Ballettkurs bietet Gelegenheit sich überholter Männlichkeitsideale bewusst zu werden. Unklar ist mir deshalb auch, warum so viele sich als fortschrittlich verstehende Männer immer noch Kampfsport machen. So viele Situationen, in denen sie sich gegen Nazis wehren müssen, gibt’s nun auch nicht. Auch sollte spätestens seit der Causa Hannibal klar sein, dass Rechte ohnehin paramilitärisch überlegen sind. Im urbanen Milieu, in dem vor allem Kampfsport mit emanzipatorischen Anspruch zelebriert wird, müssen zudem selten nazifreie Räume physisch erkämpft werden. Das heißt nicht, dass Menschen nicht aufgrund von Aussehen oder Ansichten angegriffen werden. Doch ist die Großstadt meist (und zum Glück) eine Komfortzone, in der sich Menschen, die Nazis und Rassisten doof finden, ungestört treffen können. Trainieren für die körperliche Auseinandersetzung scheint übertrieben.
Den eigenen Ängsten stellen
Auch wächst in solchen Kursen zuerst die Selbstüberschätzung und heizt männliches Risikoverhalten weiter an. Ballett bietet die Chance, sich seinen männlichen Ängsten zu stellen. Ängste, als weibisch oder schwul zu gelten, lassen sich wunderbar abbauen, wenn Mann mit anderen erfolgreich im Ballettkurs scheitert. Öffentlich ließen sich die erworbenen Bewegungskenntnisse nutzen. Wenn die Demo Schwanensee tanzt, würde das Zuschauende zumindest verwirren.
Noch viele Tanzschritte
Zum besseren Leben ist es ein weiter Weg. Männer in Ballettkursen können ein Schritt in die richtige Richtung sein. Ihr könnt ja schonmal anfangen. Am besten im Park. Bei schöner Frühlingssonne.
Bild: „Song of the Earth“ by scillystuff via flickr.com (CC BY 2.0)