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“Wenn wir die Arbeit niederlegen, steht die Welt still”

In Leipzig findet am 8. März 2019 ein feministischer Streik statt.

Vorbei sind die Zeiten, als am 8. März liebe Worte, Kuchen und Blümchen akzeptabel waren, um für die Rechte von Frauen einzustehen und ihre Arbeit sichtbar zu machen. Frei nach dem Motto “Wir wollen kein Stück vom Kuchen, sondern die ganze Bäckerei” werden weltweit feministischeBündnisse laut, die den internationalen Frauenkampftag auch entsprechend angehen: Kämpferisch.

Ein Tag, nur für Frauen?

In vielen Städten haben die Bündnisse und Veranstaltung das Wort “Frauen” aus ihren Namen gestrichen. Stattdessen machen sie mit dem Titel “feministisch” darauf aufmerksam, dass nicht nur cis-Frauen von Ungerechtigkeit betroffen sind. Sie schließen explizit nicht nur Frauen ein, die sich mit dem Geschlecht, das ihnen bei ihrer Geburt zugewiesen wurde, identifizieren. Anstatt einen “Frauenkampftag” zu begehen, wird so bereits im Namen deutlich gemacht, dass auch trans, nicht-binäre, inter und queere Personen von Diskriminierung und Ungerechtigkeit betroffen sind.

Dieser Ansatz wird jedoch auch kritisch gesehen, in mehreren Streikbündnissen gab es große Diskussionen zu dieser Debatte.In unserer Gesellschaft ist das binäre Geschlechtersystem – also die Einteilung in “Mann” und “Frau” fest verankert. Ähnlich fest in diesem System verankert ist die Diskriminierung von Frauen. Wenn man diese politische Zuschreibung nicht benennt, so das Argument, wird dieser Zusammenhang nicht mehr deutlich.

Ein Plakat des feministischen Streikbündnisses in Leipzig

Doch worum geht es den Streikenden überhaupt?

“Für ein Ende von ungleichen Arbeitsbedingungen!”

“Wir wollen gleiche Löhne und ein Ende von Diskriminierung am Arbeitsplatz- für das Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung. Wir sind alle Arbeiter*innen und wir wollen streiken”, erklärt Charlotte, Mitorganisatorin des feministischen Streiks in Leipzig. Das Streikbündnis macht darauf aufmerksam, dass Frauen in Deutschland aktuell immer noch etwa 22 % weniger Lohn für ihre Arbeit erhalten als Männer. Das ist nicht nur in Bezug auf die Lohnarbeit an sich ungerecht, sondern bringt auch weitere Probleme mit sich. Frauen erhalten aufgrund dieser sogenannten “Gender Pay Gap” im Alter wesentlich weniger Rente als Männer.

Lohnarbeit ist nicht alles

Ein Blick in die Statistik zeigt, dass der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen unbereinigt ist. In dieser Berechnung wurde schlicht geschaut, was verdienen Männer, was verdienen Frauen und wie hoch ist der Unterschied dazwischen. Es wird nicht beachtet, dass auch heute noch die Berufswahl zwischen Männern und Frauen strukturell – also nicht zufällig und nicht nur vereinzelt – unterschiedlich ausfällt und Männer sich häufiger in Führungspositionen befinden. Rechnet man diese Unterschiede heraus und bezieht sich auf gleiche oder ähnliche Arbeiten, unterscheidet sich der Lohn von Frauen nur noch um 6 % von dem der Männer.

Na, das klingt doch schon besser?

Das macht das Ganze allerdings nicht weniger problematisch. Frauen leisten im Haushalt, der Kindererziehung und der Pflege von Angehörigen enorm viel unbezahlte Arbeit. Die wird zwar auch von Männern übernommen, aber gleich verteilt ist sie längst nicht. 2017 gaben in einer EU-Statistik 79 % der Frauen an, täglich Hausarbeit zu verrichten und zu kochen. Von den befragten Männern waren es nur 34 %.

„Als alleinerziehende Mutter muss ich Lohnarbeit und Sorgetätigkeiten ständig unter einen Hut bringen. Es ist endlich an der Zeit, dass wir die unbezahlte Arbeit die wir jeden Tag leisten sichtbar machen." sagt Alexandra vom Netzwerk Care Revolution Leipzig

“Unbezahlte Arbeit sichtbar machen!”

„Als alleinerziehende Mutter muss ich Lohnarbeit und Sorgetätigkeiten ständig unter einen Hut bringen”, erklärt Alexandra vom Netzwerk Care Revolution in Leipzig. Auch sie wird am 8. März 2019 streiken: “Es ist endlich an der Zeit, dass wir die unbezahlte Arbeit die wir jeden Tag leisten sichtbar machen. Daher werden ich um 5 vor 12 mit vielen anderen mit mitgebrachten Stühlen auf öffentlichen Plätzen, vor unseren Betrieben und Wohnhäusern öffentliche Versammlungen abhalten. Wenn wir die Arbeit niederlegen, steht die Welt still!”

Ein deutliches Zeichen für körperliche und sexuelle Selbstbestimmung

Die Streiks greifen nicht nur Ungerechtigkeiten rund um das Thema Arbeit an. Auch Diskriminierung und sexualisierte Gewalt von Frauen und queeren Personen, Rassismus und jegliche gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit werden am 8. März in Leipzig Thema sein. “Weil wir nicht länger in Frauen und Queers* mit oder ohne deutschen Pass, in Migrantinnen* und Deutsche, spalten und gegeneinander ausspielen lassen”, heißt es im Aufruf des Feministischen Streikbündnisses Leipzig.

Das feministische Streikbündnis Leipzig

Demonstrationen aus allen vier Himmelsrichtungen

Das Feministische Streikbündnis Leipzig ruft am 8. März 2019 zu vier Demonstrationen auf. Sie starten jeweils um 15 Uhr und treffen sich schließlich in der Innenstadt. Während jede Demo mit eigenem Thema startet, gibt es um 17 Uhr eine gemeinsame Abschlusskundgebung auf dem Augustusplatz.

  • Osten: “Für eine solidarische Gesellschaft ohne Ausgrenzung und Rassismus!” – ab Rabet
  • Süden: “Für sexuelle und körperliche Selbstbestimmung und Identität!” – ab Südplatz
  • Westen: “Für die Aufwertung und gerechte Verteilung von Care-Arbeit!” – ab Kuhturmstraße
  • Norden: “Für eine gemeinsame und gerechte Organisierung der gesellschaftlich notwendigen Arbeit” – Fahrraddemo ab Huygensplatz vor der Agentur für Arbeit

Weitere Veranstaltungen

Frauen*streik in Leipzig

Ab 12 Uhr findet außerdem eine Kundgebung des Leipziger Frauen*streikbündnisses auf dem Richard-Wagner-Platz statt. Mit Live-Musik, Kinderbetreuung, gemeinsamem Mittagessen und Infoständen sollen die vielen verschiedenen Streikforderungen zusammengetragen werden. Die vier Demonstrationen treffen schließlich am Richard-Wagner-Platz ein. Danach können die Teilnehmenden sich der gemeinsamen Route bis zur Kundgebung auf dem Augustusplatz anschließen. Mehr Infos gibt es unter https://www.wir-streiken.de/

Streiken – nicht nur in Leipzig!

In Chemnitz findet vom 2. bis zum 9. März die feministische Aktionswoche statt. Es wird Vorträge, Filme, gemeinsames Essen und schließlich eine Demonstration am 9. März geben.

In Dresden findet am 8. März von 7:30 Uhr bis 14:00 Uhr ein feministischer Schüler*innenstreik auf dem Postplatz statt. Mit unter anderem einer “feierlichen Beisetzung des Patriarchats” findet anschließend das Feministische Streik-Fest statt. Bis 18:00 Uhr wird der Dresdner Postplatz so zum feministischen Streik- und Treffpunkt. 

…das waren selbstverständlich noch nicht alle Orte. Durchsucht das Netz und fragt eure Freund*innen – denn rund um den 8. März 2019 wird’s laut und kämpferisch.

Titel-Bild: Tim Lüddemann

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